Sieben Minuten
Es ist zwei Uhr Nachts.
Während ich vor dem Hallentor stand - den Lärm von Kränen und Metallspänen im Nacken - und genüsslich den Suizid auf Raten konsumiere, sehe ich weit nach oben. Hinauf in das tiefe Schwarz.
"Da muss doch noch mehr sein. Es muss doch einen tieferen Sinn geben. Sterne, Sterne sehe ich heut keine. Einen tieferen Sinn als eine lebendige Maschine zu sein, welche gestreiften Anzügen dient. Darf ich vorstellen, die wirtschaftliche Nahrungskette. Arbeiter und Führungsposition. Einer der beiden profitiert. Es ist alles nur Gier, die für solche Leute zählt. Solche Leute denken nur an Umsatz. Schlimm. Dennoch, da muss doch mehr sein!"
Ich stell mir vor wie ich sterbe.
Vermutlich suizidal, weil der momentane Druck und die Belastung zu groß sind. Meine Seele - falls es so etwas gibt - würde ihren Tod nicht akzeptieren. Sie würde im Diesseits verweilen. Bis sie verrückt werden würde. Und böse. Entstehen so böse Geister? Gibt es denn Geister?
Geister, die zu bösen Geistern werden, weil sie nicht loslassen können?
"Nein. Es muss mehr geben. Ich glaube zwar an gar nichts, schließe aber auch nichts aus. Ich würde es ja probieren, währe da nicht, das sterben ein einmaliges Erlebnis ist. Weiß ich nach dem Tod wer ich war? Oder sind das nur Fantasien?"
Und dann stelle ich mir vor, wie ich mir sterben vorstelle.
"Tod durch Schussverletzung. Nein. Zu weit hergeholt. Herzinfarkt. Langweilig. Ersticken. Autounfall. Ja, das klingt gut."
Den Moment wo das Auto gegen die Leitplanke auffährt bekomme ich nicht mit. Sekundenschlaf. Gott, wäre ich nur dort geblieben. Nein. Das denke ich mir nicht. Wie gesagt - ich bekomme es nicht mit. Nur die plötzlich auftretenden Kräfte. 0.8 Sekunden bis das Gehirn es wahrnimmt. 2.4 Sekunden bis das Gehirn es realisiert. 3.2 Sekunden. Zu spät. Ich hänge verkehrt rum. Mir sausen die Ohren. Ein betäubendes Kribbeln im Körper. Wie wenn Wände, ganz schnell, knapp vor meinem Gesicht hin und her flattern würden. Verschwommene Sicht. Ich glaub ich habe Blut im Auge. Ah, ein tiefer Schmerz im Kopf, wie heftig eintretende Migräne. Was ist passiert? Meine Brust, meine Rippen schmerzen. Der Schmerz wird nach und nach stärker. Die Arme schmerzen. Die Beine sind taub. Oh Gott ich sterbe! Nein! Ich will nicht! Eine Form, ein Gefühl von gleichgültiger Panik macht sich breit. Ich sterbe. Und. Werde müde. Der Schmerz lässt nach. Fast ist er nur noch im Gesicht, im Kopf zu spüren. Es wird dunkel. Nein, ich will nicht das sich meine Augen schließen. Shceiße, wann hab ich zuletzt Luft geholt? Oh Gott bin ich müde. Plötzlich wird es angenehm. Das sind jetzt meine letzten Gedanken? Aber es fühlt sich gut an. Ich denke ich ha.
Bewusstlos.
Während der Kopf einerseits mit Sinneswahrnehmungen beschäftigt war, und andererseits mit Adrenalin und Endorphin vollgepumpt wurde, wurde er bewusstlos.
Langsam körperlich tot. Und nach genau sieben Minuten ebenso Hirntot. Während dieser sieben Minuten, erträumte ich noch Szenen aus dem letzten Film. Ein kurzes Abenteuer. Und Dinge aus meiner Kindheit. Ich habe im Traum nicht mitbekommen das ich träume. Ebenso nicht das ich diesen Moment sterbe. Aber ich bin gestorben. Nach der siebten Minute, folgt der Moment wo ich zur Gänze tot bin. Der Moment, den ich wie beim Übergang vom normalen einschlafen zum Traum erlebe. Den Moment, in dem man bewusst nicht existiert.
Und ich existiere bereits seit vier Minuten nicht mehr.
Es folgt - nichts.
animus am 19. Juli 12
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